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Logistik, Einzelhandel, Büros, Wohnen – kaum ein Immobilienmarkt bleibt von den Auswirkungen der Corona-Pandemie unberührt. Wie sich die verschiedenen Asset-Klassen weiterentwickeln werden, diskutieren Prof. Dr. Kerstin Hennig, Professorin für Real Estate an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht und Leitung des EBS Real Estate Management Instituts (EBS REMI), und Severin Schöttmer, Managing Director Special Property Finance Aareal Bank, im Interview.
Prof. Dr. Kerstin Hennig ist Professorin für Real Estate an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht und leitet das EBS Real Estate Management Institute (EBS REMI), das immobilienbezogene Aktivitäten der EBS Universität in vier zentrale Aktivitätsbereiche gliedert: universitäre Ausbildung, Forschung, wissenschaftliche Beratung und Weiterbildung.
Severin Schöttmer (Managing Director Special Property Finance) leitet bei der Aareal Bank verschiedene Teams, u. a. für Retail-Immobilien, Fondsmanagement und Logistikimmobilien, die Investoren seit zwei Jahrzehnten bei der Auswahl und Finanzierung von Immobilien unterstützen.
Die Corona-Krise hat auch die Immobilienmärkte beeinflusst. Welche strukturellen, langfristigen Veränderungen durch die Pandemie sind bereits absehbar?
Severin Schöttmer: Die Corona-Pandemie hat zu einem riesigen Digitalisierungsschub geführt, der in einigen Branchen eine Katalysator-Wirkung entwickelt hat. Im Einzelhandel beispielsweise hat sich die Transformation hin zum Omni-Channel extrem beschleunigt. Auch das Wachstum in der Logistikindustrie hat nochmal zugenommen und die Attraktivität von Logistikimmobilien im jetzigen Markt noch weiter erhöht.
Kerstin Hennig: DDas sehe ich auch so. Corona wirkt wie ein Brandbeschleuniger auf die bestehenden Megatrends: Digitalisierung, Urbanisierung, New Work, Gesundheit, aber auch Sicherheit, Mobilität, Konnektivität und Nachhaltigkeit – all diese Trends wurden und werden durch die Pandemie extrem verstärkt und der Einfluss auf die Immobilienbranche ist enorm. Die Bereiche Büro und Wohnen etwa werden sich – geprägt durch die Pandemie – nachhaltig verändern. Es ist davon auszugehen, dass die Büros der Zukunft anders aussehen werden als heute. Damit meine ich nicht zwingend einen Rückgang in der Fläche, aber eine strukturelle Veränderung in der Nutzung. Ein Büro wird in Zukunft mehr Platz zum Treffen und zum Austausch bieten müssen. Gleichzeitig brauchen die Mitarbeiter aber Möglichkeiten zum Rückzug, zum konzentrierten Arbeiten. Hier wird das Homeoffice viel stärker als vor der Pandemie im Fokus bleiben.
Wenn wir uns die Auswirkungen auf die Stadtlandschaft anschauen, sehen wir zudem erste Tendenzen hin zum Trend der Suburbanisierung. Das heißt: Der Speckgürtel gewinnt an Attraktivität – solange Städte dort eine entsprechende Ausstattung, eine entsprechende städtische Infrastruktur bieten wie beispielsweise Schulen, Kindergärten, Geschäfte, Grünflächen, ärztliche Versorgung bis hin zum schnellen Internetanschluss und einer Mobilitätsstruktur.
Überall ist zu hören, dass die Logistikbranche boomt. Sehen Sie das auch so und wie werden sich Logistikimmobilien in den kommenden Jahren entwickeln?
Hennig: Die Logistik hat schon früher geboomt – in den vergangenen Jahren hat sie sich vom Stiefkind zu einer sehr beliebten Asset-Klasse gemausert. Nun profitiert sie zusätzlich von der Pandemie: Der Online-Handel ist weiter gestiegen, mehr Lagerfläche wird benötigt.
Schöttmer: Richtig, die Logistik profitiert auch losgelöst von COVID-19 von verschiedenen Wachstumstreibern, die die Branche weiter nach vorne gebracht haben. Zu nennen ist hier zum Beispiel die Digitalisierung, die für die Logistik das große Potenzial der Automatisierung von Prozessen mit sich bringt. Aber auch Onshoring und Nearshoring sind wichtige Trends: also eine verstärkte Bewegung der Distributionsstätten in die Nähe von Produktionsstandorten und eine erhöhte Lagerhaltung zur Schaffung widerstandsfähiger Supply Chains. Nicht nur Corona, sondern auch der Brexit spielen in diese Entwicklung hinein. Wie auch in der Krise jedem bewusst geworden ist, ist der Online-Handel als Wachstumstreiber in aller Munde, er expandiert massiv. Des Weiteren sind neue Aufgabenspektren ein Trend, die Logistik bewegt sich also immer weiter weg von der konventionellen Lagerhaltung und wird zu einem immer relevanteren Teil der Wertschöpfungskette.
Definitiv anhalten wird hingegen der Wachstumstrend der Logistik insgesamt – natürlich immer gekoppelt an die aktuelle Wirtschaftsleistung – und damit auch die Attraktivität von Logistikimmobilien für Investoren. Was wir in den kommenden Jahren sicher verstärkt sehen werden, ist, dass sich das Tätigkeitsfeld von Logistikern immer mehr ausweitet. Schon heute übernehmen sie teils leichtere Produktionsprozesse wie die Konfiguration von Produkten und vor allem auch das Retourenmanagement.
Welche Immobilien beziehungsweise Asset-Klassen werden in der Post-Corona-Zeit vor allem nachgefragt sein?
Schöttmer: olange wir uns weiter im aktuellen Niedrigzinsumfeld bewegen, werden Immobilien insgesamt weiter ein attraktives Investment bleiben – die Nachfrage nach Immobilien mit einem stabilen Cashflow könnte sogar noch zunehmen. Immobilien speziell im Logistiksegment stehen aufgrund der zuvor genannten Wachstumstreiber im Fokus der Investoren und bieten eine gute Rendite.
Hennig: Es wird weitergehen – aber anders. Wir alle haben in der Pandemie dazugelernt, und diese Erkenntnisse werden in der Post-Corona-Zeit nachwirken. Wie schon erwähnt, werden etwa das Büro und die Wohntrends der Zukunft von der Frage geprägt sein, wie sich Jobs bestmöglich effizient erledigen lassen – und zwar für Arbeitnehmer und Arbeitgeber zugleich. Die Antworten auf diese Frage werden sich auf Wohn- und Büroimmobilien genauso auswirken wie auf Stadtquartiere der Zukunft.
Auch in der Hotellerie sind Veränderungen zu erwarten: Vorstellbar ist zum Beispiel, dass es künftig weniger Business-Reisen geben wird; geprägt sowohl durch die neuen Erfahrungen rund ums Thema digitale Konferenzen, aber auch durch die stete Entwicklung in Richtung Nachhaltigkeit. Hier dürfte künftig Qualität statt Quantität im Vordergrund stehen. Bei Urlaubsreisen hingegen ist eher zu erwarten, dass sie wieder ähnlich wie früher stattfinden werden, weil Erholung und Reisen als bereichernde Elemente weiter einen hohen Stellenwert haben. Diese Entwicklungen werden sich widerspiegeln im Hotelangebot der Zukunft.
Welche Rolle spielt das Thema Nachhaltigkeit in Hinblick auf die künftige Entwicklung des Immobilienmarkts?
Hennig: Eine enorm große Rolle – wahrscheinlich ist Nachhaltigkeit der wichtigste Megatrend von allen. Sie wurde von der UN durch die Verabschiedung der ESG-Ziele aktiv vorangetrieben und konkretisiert. Auch die Immobilienbranche muss dabei zum nachhaltigen Wandel beitragen: nicht nur über zertifizierte Gebäude, sondern vor allem auch über ein „sustainable development“ von Städten und Gebäuden. Neben dem ökologischen sehe ich dabei auch den sozialen Aspekt: Hier beobachte ich eine Entwicklung weg vom Shareholder- und hin zum Stakeholder-Ansatz.
Schöttmer: Dem kann ich nur zustimmen. Das Thema Nachhaltigkeit ist schon seit mehreren Jahren bis hin zu Jahrzehnten im Fokus von Investoren und Mietern und rückt immer weiter in den Vordergrund. Speziell bei Neubauten wird eine nachhaltige Ausrichtung immer mehr zur schlichten Grundvoraussetzung. Nachhaltigkeit entwickelt sich auf Basis der bestehenden Nachfrage zum neuen Marktstandard.
Frau Prof. Dr. Hennig, Herr Schöttmer, vielen Dank für das Gespräch!
Prof. Dr. Kerstin Hennig
EBS Universität für Wirtschaft und Recht, Head of EBS Real Estate Management Institute
Wirtschaft und Gesellschaft stecken in einem tiefgreifenden Wandel. Die Aareal Bank gestaltet diesen Transformationsprozess mit.