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Umwelt-, Sozial- und Governance-Themen (ESG) gewinnen immer mehr an Bedeutung, auch im Finanzsektor. Wie gehen Immobilienfinanzierer mit diesem Thema um und was bedeutet das für die Geschäftsstrategie und das Risikomanagement? Christoph Reitze, Aareal Bank und Matthias Arnheiter, Berlin Hyp, im Gespräch über neue Chancen durch Nachhaltigkeit.
Christoph Reitze ist Bereichsleiter des zum 1. Januar 2020 neu gegründeten Bereichs Non-Financial Risks (NFR) und ist hier unter anderem im ESG@AAREAL Projekt-übergreifend für das ESG-Risikomanagement zuständig. Vorherige Stationen des Regulatorik- und Risikomanagementexperten waren u. a. die Österreichische Nationalbank und KPMG Deutschland.
Matthias Arnheiter ist Bereichsleiter Unternehmensstrategie und dabei u. a. verantwortlich für die Nachhaltigkeits- und Innovationsstrategie. Das Thema Nachhaltigkeit wird bei der Berlin Hyp zentral durch sein Team koordiniert und im Rahmen eines ESG-Boards unter der Leitung des CEOs diskutiert.
Herr Reitze, Herr Arnheiter, welche Herausforderungen ergeben sich bei der Integration von ESG-Aspekten in die Geschäftsstrategie und im Risikomanagement von Immobilienfinanzierern?
Matthias Arnheiter: Die Herausforderungen beginnen für uns mit der Frage, welche Handlungsbedarfe sich für unser Haus genau hinter dem Begriff „ESG-Aspekte“ verbergen. Environmental-, Social- und Governance-Kriterien werden von unterschiedlichen Stakeholdern unterschiedlich interpretiert. Daher ist es erst einmal wichtig zu verstehen, welche Bedeutung dieses Thema für interne und externe Stakeholder hat und diese Faktoren dann strategisch in Einklang zueinander zu bringen.
Bisher wurde Nachhaltigkeit nur in Verbindung mit nichtfinanziellen Zielen diskutiert. Dies wird sich zukünftig verstärkt ändern. Wir haben Nachhaltigkeitsziele bereits fest in die strategischen Unternehmensziele integriert. Die zunehmenden Anforderungen zur Erfüllung dieser Ziele, wie z. B. im Risikomanagement, führen zu Herausforderungen. Beispielsweise müssen zusätzliche Daten und IT-Infrastrukturen aufgesetzt werden. Auch muss geklärt werden, welche Daten benötigt werden und wie diese beschafft werden können. Um ein Beispiel zu nennen: Bislang fanden verbaute Materialien in der Bewertung von Gebäuden kaum Berücksichtigung. Im Kontext der Circular Economy spielen solche Aspekte zukünftig aber eine wichtige Rolle, denn die Baustoffe tragen nicht unerheblich zum CO2-Footprint von Immobilien bei. Bei der Finanzierung von Bestandsgebäuden stellt uns das vor Herausforderungen, weil entsprechende Informationen zu verbauten Materialien für diese Objekte gar nicht vorliegen.
Christoph Reitze: Die zentrale Frage für uns ist die strategische Positionierung. Wo liegt unser Ambitionsniveau? Mit der Definition unserer Position werden die Weichen gestellt für die zukünftige Gestaltung der Geschäftsstrategie und damit letztlich auch des Risikomanagements. Eine der großen Herausforderungen ist es hier, die geeignete Balance zu finden zwischen regulatorischen Anforderungen auf der einen Seite und einem betriebswirtschaftlich orientierten Chancen-Risikomanagement auf der anderen Seite. Wie Herr Arnheiter bereits erwähnte, muss die entsprechende Datenbasis erst noch geschaffen werden, denn die Portfoliotransparenz anhand qualitativer Standards ist eine Grundvoraussetzung. Diese international einheitlich zu definieren, stellt für uns als global aufgestellte Bank eine wesentliche Herausforderung dar, da weltweit die Sensibilisierung für dieses Thema doch noch sehr unterschiedlich ist. Gleichzeitig erarbeiten wir unser Ambitionsniveau. Die Lösung kann nur ein stufenweises Vorgehen sein. Insbesondere über Stresstests und Szenarioanalysen sind wir dabei Wirkungsketten zu verstehen und entsprechend zu bewerten.
Inwieweit bedarf es bei der Integration von ESG auch eines Kulturwandels im Unternehmen und der Mitarbeiter?
Reitze: Für mich geht es hier weniger um einen Wandel oder eine Veränderung der Kultur, sondern um eine gezielte Integration der ESG-Thematiken in das „Daily Doing“. Nur wenn wir ESG-Aspekte in unserem täglichen Wirken leben und in unseren Prozessen und Geschäftsentscheidungen berücksichtigen, sind wir glaubwürdig. Das fängt bei der Führung an und muss in die Governance, aber auch allen anderen Geschäftsbereichen wie Risikomanagement, IT oder Vertrieb verankert werden, bis hin zur entsprechenden Produktentwicklung. Besonders wichtig ist die externe, aber auch insbesondere interne Kommunikation, um ein gemeinsames Verständnis dieser Werte zu schaffen.
Arnheiter: Die von Herrn Reitze erwähnte Glaubwürdigkeit ist in diesem Zusammenhang elementar, nicht nur extern, sondern auch intern. Diese Glaubwürdigkeit untermauert man durch die Verabschiedung konkreter gemeinsamer Ziele, die nachgehalten und schlussendlich auch gemeinsam erreicht werden müssen. So haben wir bei der Berlin Hyp beispielsweise unsere neue Nachhaltigkeitsagenda in einer agilen, übergreifenden Arbeitsgruppe erarbeitet und im Ergebnis klare, übergeordnete Ziele formuliert: Erstens, Transparenz über unser Immobilienportfolio herzustellen, zweitens, bis 2025 ein Drittel grüne Gebäude im Portfolio zu führen und drittens, mit einem neuen Produkt, dem „Transformationskredit“, die Finanzierung von Transformationsmaßnahmen im Gebäudesektor zu ermöglichen. Unsere verabschiedeten Ziele werden somit von allen Mitarbeitern der Geschäftsbereiche getragen und konsequent verfolgt.
Wie geht man vor, um ESG-Ziele, aber auch ESG-Risiken zu operationalisieren und messbar zu machen?
Reitze: Diese Messbarkeit ist letztlich einfacher als man denkt: Denn mit jeder unserer Finanzierung eines grünen Gebäudes oder einer Kreditvergabe für eine energetische Sanierung leisten wir einerseits einen unmittelbaren Beitrag zum Klima- und Umweltschutz und erhalten zudem messbare Ergebnisse zum Klimaschutz, die wiederum in einen Datenpool einfließen können. Banken sind zweifelsfrei ein starker Multiplikator, die die Finanzierung einer nachhaltigen Entwicklung erheblich vorantreiben können und damit messbare Ergebnisse erzielen. Wichtig für die Operationalisierung ist es, das Thema ESG ganzheitlich anzupacken. Nicht vereinzelt ein Produkt zu launchen, sondern entsprechende Themen in die Vorhabenplanung einfließen zu lassen und konsistent alle Geschäftsfelder einzubeziehen.
Arnheiter: Wichtig ist es, die Anreizsituation der Kunden im Blick zu behalten. Das ist ähnlich wie beim E-Auto, das ja auch staatlich gefördert wird. Bei unserem Transformationskredit etwa setzen wir auf entsprechende Incentivierung. Wir müssen das Produktangebot so attraktiv und einfach wie möglich gestalten und dem Kunden die Investition in Nachhaltigkeit letztlich als Wertsteigerung der Immobilie verständlich machen.
Für die Operationalisierung brauchen wir ein gemeinsames Verständnis: Was ist überhaupt ESG-konformes Geschäft? Wie bilden wir das in Daten ab, wie werden die Daten aufbereitet? Das Thema ist breit gefächert und EU-Normen, wie z.B. die Taxonomie, befinden sich noch in der Diskussion. Um erfolgreiche Produkte zu entwickeln, brauchen wir verlässliche Rahmenparameter. Nur so können wir Kunden davon überzeugen, dass die Investition in Nachhaltigkeit letztlich auch einen Mehrwert für sie bedeutet.
Reitze: Ja, das ist ein spannender Punkt. Letztlich muss es uns gelingen, einen zweifelsfrei wichtigen politischen und gesellschaftlichen Auftrag wie Förderung einer nachhaltigen Entwicklung mittels attraktiver Produkte mit unseren ökonomischen Zielen in Einklang zu bringen. Insofern ist ESG-Integration mehr als eine Frage des Datenhaushalts oder des Risikocontrollings. Der Frage nach Strategie und Produkten, die gleichermaßen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Mehrwert erzeugen, kommt eine zentrale Bedeutung zu.
Herr Arnheiter, Herr Reitze, wir danken Ihnen für das Gespräch!
Chancen ergreifen – ohne die Risiken zu übersehen. Je komplexer die Welt wird, des-to leistungsfähiger muss auch das Risikomanagement sein.